Geliebte Köchin

Der gleichnamige Film bietet opulenten Augenschmaus. Gegen Ende fällt ein Satz, der dann sogar noch aufhorchen lässt. Die Frau fragte da nämlich den Mann, wie es für ihn möglich war, über viele Jahre als Liebhaber an ihrer Seite auszuharren, …

… bis sie nach langer Zeit endlich doch in die Ehe mit ihm einwilligte. In seiner Antwort zitiert er Augustinus: „Liebe ist, jemanden zu begehren, den man bereits hat“. Abgesehen davon, dass nicht eindeutig belegt ist, ob der christliche Theologe und Philosoph Aurelius Augustinus tatsächlich der Weisheitsgeber ist oder ob der Satz am Ende gar Wilhelm Busch zugeschrieben werden müsste, so gibt er doch zu denken. Tatsache ist nämlich, dass hier der landläufigen Meinung widersprochen wird, dass sich Liebe und Begehren umgekehrt proportional zueinander entwickeln, je länger eine Paarbeziehung währt – auf Kosten des Begehrens. Folgt ihre Entwicklung tatsächlich einer Gesetzmäßigkeit, vor der es kein Entrinnen gibt? Ist sie Ausdruck einer zwangsläufig einsetzenden Macht der Gewohnheit? Glaubt man am Ende den Partner oder die Partnerin so gut zu kennen, dass der Reiz des Neuen vollständig verflogen ist? Bodo Kirchhoff schreibt in seiner Novelle „Nachtdiebe“: „Die Zeit, die man mit einem Menschen verbringt, wird irgendwann zum Vertrag, den beide ohne es zu merken durch ihre bloße Anwesenheit unterzeichnen.“ Was im „Kleingedruckten“ dieses ungeschriebenen Vertrags steht, beschreibt also die Gewohnheiten, die Menschen über Jahre in der Paarbeziehung entwickelt haben – und diese sind nicht immer von Vorteil. Untersucht man den Beziehungsvertrag aber genauer, so könnte sich doch herausstellen, dass beide Partner einstmals darin übereingekommen sind, einander immer und immer wieder neu zu entdecken. Wenn das wirklich zur ihrer Gewohnheit geworden ist, dann haben sie bereits das Rezept, sich tatsächlich unentwegt weiter begehren zu können und darin auch nicht müde zu werden, so lange ihre Paarbeziehung währt.

Geliebte Köchin, Regie: Tran Anh Hung, Hauptdarsteller: Juliette Binoche, Benoît Magimel, Frankreich 2023; Bodo Kirchhoff: Nachtdiebe. Frankfurter Verlagsanstalt 2023

NICHT MÜDE WERDEN
Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten
HILDE DOMIN

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